Die Wahl des Motivs, das Du aussuchst, ist für Dich der schwierigste Teil der ganzen Geschichte. Wenn Du bereits genau weisst, was Du willst wenn Du zum Tätowierer gehst, kann ich Dir nur gratulieren. Trotzdem kann es sein, dass Du, während Du wartest, in die Ordner mit den Sujets guckst. Vielleicht wirst Du unsicher, und denkst «He, das sieht aber auch geil aus...»
Vielleicht hattest Du ganz konkrete Vorstellungen, was Du willst, aber der Tätowierer will es noch überarbeiten. Woran liegt das? Oftmals hat das technische Gründe, die ich weiter unten zu erklären versuche. Andererseits kann es auch daran liegen, dass die Zeichnung einfach verbessert werden sollte.
Eine kleine Geschichte dazu: Ich sprach vor einiger Zeit in einer Kneipe mit einem Typen, der einige Tattoos hatte. Eine Figur (Cartoon) gefiel mir auf den ersten Blick besonders. Auf den zweiten Blick sah ich, dass die rechte Hand der Figur, die den Stinkefinger zeigen sollte, sechs Finger hatte. Ausserdem war der Daumen auf der falschen Seite. Zeichnerisch also gleich zwei kleine Todsünden auf wenigen Millimetern Haut. Als ich ihn darauf ansprach, wollte er es nicht glauben; er zählte nach, verglich seinen Daumen mit dem seiner Figur. Er meinte, er hätte das Tattoo nun schon 14 Jahre, aber das sei ihm noch nie aufgefallen. Vermutlich hätte ich besser meine Klappe gehalten...
Obwohl ich schon sehr, sehr lange zeichne, gibt es (natürlich) bessere Zeichner als mich. Doch mein Auge wurde in den Jahrzehnten, in denen ich den Griffel schwinge, präzise geschult. Und wenn ich sehe, dass ein Entwurf logische Fehler hat (wie das Beispiel mit der Hand, oben), oder formal nicht funktioniert, spreche ich meine Kunden darauf an, und verbessere die Entwürfe. Viele Leute, die den Entwurf mit viel Liebe und Fleiss gezeichnet haben fühlen sich dann etwas auf die Füsse getreten. Aber ich finde, ein Tattoo sollte einfach so gut wie möglich sitzen. Es begleitet Dich auch ein Leben lang. Wir raten eigentlich nur selten von einer Tätowierung ab. Du musst sowieso 18 Jahre alt, und somit erwachsen sein. Die seltenen Fälle, in denen wir von einer Tätowierung abraten, oder sie sogar ablehnen, beziehen sich meist auf die typischen Fälle - wie sie auf der Seite «Grenzen» beschrieben sind. Klar will ich Geld verdienen, ich lebe schliesslich vom Tätowieren. Doch wenn ich merke, dass jemand völlig unsicher ist, über das OB überhaupt, oder das WAS, ist es besser, den Kunden zur Geduld zu drängen und nochmals nach Hause zu schicken. Es hat noch niemandem geschadet, nochmals eine Nacht darüber zu schlafen.
Vielleicht helfen Dir die folgenden Denkansätze, das zu Dir passende Tattoo-Sujet zu finden.
Wir haben dafür und dawider aufgelistet.
Gedanken zum Tätowieren an sich
Tattoos sind im Moment zweifellos ein Boom. Ich konnte jedenfalls in den letzten Jahren einen stetigen Zuwachs an Kunden verzeichnen. Und dadurch, dass immer mehr Leute tätowiert sind, steigt erfreulicherweise auch die Akzeptanz. Was früher «Sträflingen, Rockern und anderen Asozialen» vorbehalten blieb, darf heute auch schnittige Girls oder seriöse Ärzte schmücken. Toll für die, die es wirklich ernst meinen mit den Tattoos (und dazu gehörst Du hoffentlich auch!). Schlecht für diejenigen, die sich aus Trotz oder zur Provokation stechen lassen wollen (leider immer noch zu viele).
Das passende Motiv – ein leidiges Thema?
Für viele meiner Kunden ist die Wahl des Motives immer und immer wieder ein «Problem» statt einer Freude. Einige Kunden kommen zu mir, und fragen «Hey, was passt zu mir?» Eine Frage, die kein Fremder beantworten kann. Auch keine Mutter, kein Freund, keine Freundin. Wenn Du eher zu einem provokativen Sujet tendierst (lächelnde Anwälte etc.), schalte besser noch einen Gang zurück. Denn fast jeder wird mit der Zeit etwas ruhiger. Und es ist mühsam, seine Tattoos ständig als Jugensünde deklarieren zu müssen.
Wie reagiert Dein Umfeld?
Nicht ganz unkritisch! Wenn Du gerade aus der Banklehre gekommen bist, wären Totenkopf-Motive an den Handgelenken sicher unpassend. Auch wenn sie versteckt (Schulter o.ä.) sind: denke in die Zukunft! Damenwahl: Ich finde Tattoos durchaus erotisch. Ein Tattoo sollte sich meiner Meinung nach nicht mit dem Geschlecht (oder der sexuellen Gesinnung) beissen. Ein sanftes, zartes Mädchen mit Totenköpfen auf dem Oberarm, oder ein 120 Kilo schwerer Eisenleger mit einer Fee auf der Arschbacke, also ich weiss nicht so recht...
Das Dilemma
Kein Motiv wird für das Ganze Leben ausgesucht. Dein Geschmack wird sich ändern! Mit 60 wahrscheinlich nicht mehr so sehr wie mit 20. Trotzdem: Nicht nur Du veränderst Dich, sondern auch Dein Geschmack und Deine Ambitionen - unweigerlich.
Der Ausweg
Ein Tattoo hat IMMER auch eine Tagebuchfunktion. Bei jeder Tätowierung wirst Du dich mit ziemlicher Sicherheit an die Situation erinnern können. Vielleicht nicht mehr so im Detail (wer wie mit wem oder so), aber ein Umriss Deiner Stimmung und Tagesform wird Dir höchst wahrscheinlich bleiben. Frage Dich also selbst: Wie stark kann ich mich MOMENTAN mit diesem Flash identifizieren? Ansonsten, wie schon oben erwähnt: Schalte eher einen Gang zurück!
Faule Sprüche
Es wird höchste Zeit, wieder einmal eine Lanze FÜR das Tätowieren zu brechen. Ich will mir ja nicht das Geschäft vermiesen. Oft hört man den (nicht sehr weisen) Spruch «aber was machst Du, wenn du sechzig bist?» Tolle Frage! Wenn Du mit sechzig tief ausgeschnitten auf den Aufriss musst, hast Du wohl andere Probleme als ein Tattoo, oder?
High-Tech-Tattoos!
Vollgas-Sujets, was liegt denn technisch drin?
Mit dem heutigen Tätowierwerkzeug lassen sich Bilder in feinen Details darstellen. Früher, als noch von Hand gestochen wurde, sah das ganz anders aus: Linien unter einem bis zwei Millimetern waren schlicht nicht machbar. Farbverläufe sahen oft wie ein Flickerlteppich aus. Natürlich gab es auch da schon Ausnahmen; etwa eine Hand voll Tätowierer in Japan. Auch sie konnten kaum feinere Linien stechen, aber was die Farbtechniken anging, waren sie ihrer Zeit einfach ein paar Jahrhunderte voraus.
Heute kann ein geschickter Tätowierer jedoch sehr viel feiner und eleganter arbeiten. Tätowier-Maschineli sei Dank. Doch um es gleich vorneweg zu nehmen: JEDE Tätowierung verschwimmt mit der Zeit! Die eine mehr, die andere weniger. Wenn Dein Tätowierer etwas anderes behauptet, könnte es sein, dass er noch nicht sehr lange im Geschäft ist, oder einfach ein bisschen lügt, um die Kunden bei Laune zu halten. Der Grund ist sehr einfach: Deine Haut schert sich keinen Deut um die liebevoll gekratzten Bilder und wächst einfach weiter. Sie macht halt das, wozu sie geschaffen wurde. Die Farbpartikel, die durch das Tätowieren in die Haut gebracht wurden, bewegen sich dabei mit - sie «schwimmen» sozusagen in Deiner Haut. Nach rund sieben Jahren hat sich Deine gesamte Haut ein Mal erneuert! Und das ist der Zeitpunkt, an dem die Qualität des Tattoos und Deiner Haut gemessen werden könnte. Anders herum gesehen: wenn Du Dein neu gestochenes Flash anguckst, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Eine kleine Feder kann nach dem stechen wundertoll aussehen, und ist nach einem halben Jahr nur noch ein undefinierbarer Farbfleck. Tönt erschreckend, gell?
Ein Tattoo auf meinem rechten Unterarm (innen).
Varry hat mir zwar davon abgeraten, aber ich bestand darauf, dass die Linien mit einer Einer-Nadel gestochen werden. Das heisst, dass im Tätowier-Maschineli statt einem Bündel oder einem Fächer von Nadeln nur eine einzige Nadel eingespannt war. Ich wollte die feinstmögliche Linie haben. Das Ergebnis: Die Details sind abgesoffen, weil die Abstände zwischen den einzelnen Linien zu gering waren. Die Pigmente der einzelnen Linien in der Haut zusammengeschwommen.
Aber es gibt dazu Lösungsansätze, die Du dir als Tattoo-interessierter einmal zu Gemüte führen solltest:
Die richtige Grösse des Motivs
Sieh Dir bitte einmal dieses Foto eines Maori an. Die traditionellen Tätowierungen der Ureinwohner Neuseelands wirken auf den ersten Blick äusserst filigran. Doch bei näherem Hinsehen wirst Du feststellen, dass die Linien - in unseren Augen - grob und ungenau gestochen sind. Doch diese Motive wirken auch auf einige Meter Entfernung noch sehr eindrucksvoll, um nicht zu sagen plakativ. Aus der Nähe betrachtet sieht man vielleicht einige kleine Fehler, die jedoch vernachlässigbar sind - sie wurden immerhin von Hand, und meist ohne elektrische Ausrüstung gestochen. Oftmals kommen Kunden zu mir, die eine möglichst winzige Tätowierung möchten. Eine Art Angst-Tätowierung. Sie wollen «dazugehören», können aber eigentlich gar nicht dazu stehen. Und nur allzuoft sagen genau diese Kunden ein Jahr später «Naja, heute würde ich das Motiv grösser stechen lassen...» Ein solch winziges Tattoo sieht auf fünf Meter Entfernung wie ein ausgeflipptes Muttermal aus.
Übrigens lassen anständige Leute nur sehr vertraute Personen nahe genug an sich ran, um die Tätowierung richtig angucken zu können.
Einflüsse auf die Qualität des Tattoos
Kundenseitig:
Hautbeschaffenheit: Auch wenn Du nichts daran ändern kannst, so spielt die Beschaffenheit der Haut eine wichtige Rolle. Ein schwaches Bindegewebe verarbeitet ein Tattoo eben schlechter als eine straffe Haut.
Ausgetrocknete Haut: Auf einer gut gepflegten Haut, die öfters eingecremt wird, wirkt Deine Tätowierung sehr viel brillanter als auf einer ausgetrockneten und zu stark gebräunten Haut.
Motivwahl: Oftmals werden viel zu feine Motive verlangt. Sie können zwar gestochen werden, doch die Haut lässt die Linien mit der Zeit wieder zusammenlaufen.
Entzündungen durch mangelnde Pflege: Ein frisches Tattoo entspricht in etwa einer Schürfung. Sorgfältige Pflege ist ein MUSS!
Verletzungen: Verletzungen wie tiefe Schürfungen oder Brandwunden können die Farbe entfernen.
Vom Tätowierer aus:
Zu tief: Die Tätowierung wurde zu tief gestochen, das Sujet verschwimmt unnötig stark.
Entzündungen durch mangelnde Hygiene: Dies führt im harmlosesten Fall zu einer lokalen Entzündung. Das Tattoo eitert, Farbe wird ausgeschwemmt, eventuell bildet sich sogar eine Narbe. Löcher in der Tätowierung sind die Folgen.
Verletzungen: Schlechte Nadeln sehen unter dem Mikroskop wie Angelhaken aus. Nebst etwas stärkerem Blutaustritt wird das beim Tätowieren aber kaum bemerkt. Die Haut wird aufgerissen, Narben/Entzündungen sind vorprogrammiert. Ein seriöser Tätowierer kontrolliert seine Nadeln unter dem Mikroskop!
Schlechte Platzierung: Das Tattoo ist schräg oder sitzt nicht, es verzieht sich seltsam. Es liegt in Deiner Verantwortung, den Abzug auf der Haut vor dem Tätowieren nochmals genau und und in Ruhe zu kontrollieren. Bewege dich dazu – wie verzieht sich das Tattoo mit der Haut?
Mies gezeichnet: Wenn Du das Gefühl hast, der Tätowierer habe keinen Schimmer vom Zeichnen, such Dir einen anderen. Es gibt genügend Leute, die das können.